Frau über die eigenen Gedanken sein
Sind wir Frau über unsere eigenen Gedanken oder werden diese durch unkontrollierbare Einflüsse bestimmt? Vor einigen Wochen haben wir uns während dem Abendessen im Garten meiner Eltern darüber unterhalten. Ich war dabei der Meinung, dass der Mensch grundsätzlich in der Lage zu sein scheint, frei über seine eigenen Gedanken bestimmen zu können – wer oder was, sollte dies denn sonst tun?
Mein Vater meinte jedoch, dass [in gewissen Situationen] Emotionen einen starken Einfluss auf unsere Gedanken haben können. Und da Emotionen für einige unkontrollierbar sind, kann dies eben zu solchen unkontrollierbaren Gedanken führen.
Ich musste meine Aussage also etwas umformulieren und erwiderte, dass wir, unabhängig von Emotionen, rein aus unserer Vernunft heraus, grundsätzlich in der Lage wären, frei über die eigenen Gedanken zu bestimmen. Wenn also [an Kant angelehnt] ein Mensch, rein aus seiner Vernunft heraus handelt und nicht von vernunftsfremden Einflüssen wie Emotionen, Triebe, Beziehungen [oder Ähnlichem] beeinflusst wird, dann müsste er in der Lage sein, frei über seine eigenen Gedanken zu bestimmen.
Es müssen wahrscheinlich gewisse Umstände gegeben sein, dass man von einer auf der Vernunft basierenden Existenz eines Menschen sprechen kann. [Wenn man beispielsweise unter einer psychischen Krankheit wie Schizophrenie leidet, würde dies die vernunftbedingte Kontrolle der Gedanken wohl erheblich erschweren.] Dass allerdings alle Menschen im Grunde als vernünftige Wesen definiert werden können, hat Immanuel Kant schon vor einem Vierteljahrhundert argumentiert. Zudem hat er gesagt, dass ein Mensch nur dann frei sei, wenn er [autonom] selbstgesetzgebend ist und seine Handlungen [so argumentiert Kant] entsprechend ausschliesslich durch die eigene Vernunft bestimmt sind.
Ich versuche nun diese Idee auf die Freiheit der eigenen Gedanken anzuwenden. Ich argumentiere also, dass man nur frei [autonom] über seine Gedanken bestimmen kann, wenn diese ausschliesslich durch die eigene Vernunft bestimmt sind.
Dies scheint theoretisch möglich, doch ist es praktisch umsetzbar? Ich denke es handelt sich hier wohl gewissermassen um eine Idealvorstellung, an der man sich orientieren kann und vielleicht auch orientieren soll.
Es ist klar, dass Emotionen und andere [externe] Faktoren oft nicht vollständig kontrolliert werden können. Wir Menschen sind wohl emotionale Wesen. Die wenigsten Menschen erreichen wohl jemals einen Zustand, in dem ihre Gedanken einer vollständigen und allgegenwärtigen Vernunft unterliegen.
Die Kunst liegt vielleicht einfach darin, sich den Emotionen und vernunftsfremden Einflüssen hinter den eigenen Gedanken bewusst zu sein. Man darf und soll die eigenen Gedanken kritisch hinterfragen und auf Rationalität prüfen.
Auch hier würde ich einmal mehr sagen, dass es wichtiger ist, sich all dem bewusst zu sein, als den beschriebenen [finalen] Zustand auch tatsächlich zu erreichen – also scheint auch hier der Weg das Ziel zu sein.