Auf Messers Schneide

Gestern [vor einigen Wochen] haben wir über unser Leben hier in der Schweiz gesprochen. Anfangs diskutierten wir darüber, dass wohl Millionen von Menschen von einem Leben wie unserem träumen und sich wünschen, auch nur annähernd so privilegiert leben zu können, wie wir dies tun. Wir schätzen uns natürlich extrem glücklich, leben in einer wunderbaren Wohnung, essen regelmässig auswärts in schönen Restaurants, haben studiert oder sind mitten im Studium, leben in einem funktionierenden Sozialstaat, haben unsere Familien in der Nähe und geniessen zahlreiche weitere unglaubliche und für viele wohl schier unvorstellbare Privilegien.

Wir sagten uns, wie wichtig es doch sei, sich all dem bewusst zu sein, all das zu schätzen, zu geniessen und sich bewusst zu sein, dass eben viele von genau einem solchen Leben [leider] nur träumen können. Wir leben quasi den Traum von Millionen von Menschen und sollten uns dem stets bewusst sein.

Doch dann kippte die Diskussion.

Was wäre, wenn tatsächlich alle [oder viele] Menschen weltweit eben diese Privilegien besitzen würden, die wir so zu schätzen wissen. Hat die Erde überhaupt genug Kapazität oder würden wir dadurch den Klimawandel und weitere akute Probleme nur noch weiter beschleunigen?

Müssten wir unseren Lebensstil eigentlich nicht radikal verändern, um unsere Welt vor dem [klimatischen, sozialen, ökonomischen] Kollaps zu bewahren? Ist es überhaupt angebracht, unser Leben – so wie es heute ist – zu schätzen und geniessen? Müssten wir dabei eigentlich nicht in Schuldgefühlen versinken?

Sind wir überhaupt in der Position unsere Privilegien tatsächlich zu schätzen? Befinden wir uns nicht eigentlich in einem Notzustand und müssten versuchen Lösungen zu finden für die akuten Probleme und Miseren, die bestehen oder [wohl] noch kommen werden?

Stattdessen akzelerieren wir mit unserem täglichen Verhalten diese Prozesse gar noch. Wie soll man das bitte denn noch geniessen und schätzen können? So deprimierend. Also besser wieder zurück zu unseren Privilegien und wie wir diese doch unbedingt zu schätzen wissen müssen…

Luca Gnos