Ein Traum
Rebecca schreckt völlig verwirrt und orientierungslos auf. Ihr Blick auf den Wecker sagt ihr «03:00 Uhr», also noch einige Stunden bis sie aus dem Haus muss. Beruhigt legt sie sich wieder hin. Doch weshalb ist sie so nass? Schweissgebadet.
Marie wacht auf, «Was ist los? Was ist passiert?».
Langsam kommt Rebecca wieder zu sich, «Ich hatte einen verstörenden Traum, alles gut meine Liebe». Marie nimmt sie in ihre Arme und merkt wie verschwitzt sie ist und frägt was sie denn schlimmes geträumt habe.
«Es war ganz strub. Ein weltweiter Lockdown, Ausgangssperre, Geschäfte, Bars und Restaurants waren geschlossen, keine Kinos, Theater oder Musiksäle waren geöffnet. Alles war zu. Niemand durfte nach draussen und das über mehrere Wochen hinweg. Es herrschte absoluter Notzustand!» erwidert Rebecca, nun wieder ausser sich.
«Oh wow, das klingt ziemlich krass. Was war denn passiert?»
Rebecca konnte sich leider nicht mehr daran erinnern. Sie wusste nicht mehr, weshalb dieser Ausnahmezustand herrschte, sie konnte sich nur an die Situation erinnern, die Ursache kam ihr einfach nicht mehr in den Sinn.
So läuft es doch oft mit Träumen, man kann nur noch einzelne Teile entziffern, Zusammenhänge bleiben oft hängen im Wirrwarr der Gedanken.
Rebecca und Marie leben nun schon seit drei Monaten zusammen in der Stadt Luzern. Eingezogen im Sommer 2019, bald ist Winter.
«Was könnte es denn gewesen sein? Du sagst, ein weltweiter Lockdown, also auch bei uns in der Schweiz?», hakt Marie nach.
«Ja, so ziemlich überall, zumindest in Europa, hmm... Nein eigentlich wirklich in den meisten Teilen der Erde. Die Wirtschaft kollabierte, man sprach von totaler Bewegungskontrolle via GPS unserer Mobiltelefone, es war ziemlich beängstigend».
Was könnte denn die Ursache gewesen sein, überlegen nun beide gemeinsam. So was haben sie noch nie erlebt und sie können sich auch nicht an eine solche Situation vor ihrer Geburt besinnen. Ausser im zweiten Weltkrieg vielleicht?
«In einer Kriegssituation könnte ich mir solche Massnahmen schon noch vorstellen», meint Marie. Stimmt, denkt Rebecca, doch im Falle eines Krieges hätten wohl viele ihrer Freunde einen Marschbefehl erhalten und hätten einrücken müssen. Aber sowas ist im Traum nicht passiert, soweit sie sich erinnern kann zumindest, das kann es also fast nicht gewesen sein...
«Das stimmt, doch ich glaube nicht, dass es das war mein Schatz. Es war etwas anderes, viel absurderes. Irgendwie kommt es mir vor, als wäre es etwas eigentlich zu erwartendes und doch völlig unerwartetes gewesen, verstehst du was ich meine?» redet Rebecca vor sich hin.
«Nicht ganz, nein», gesteht Marie.
«Es fühlte sich an, wie wenn man beispielsweise weltweit die Gelder für Bildung kürzen würde und sich dann Jahre später fragen würde, weshalb alle jungen Erwachsenen denn so ungebildet sind. Es passierte etwas, das direkt aus unseren Handlungen heraus folgte und man eigentlich hätte vorhersehen können. Etwas das in der Geschichte der Menschheit wohl schon unzählige Male vorkam und wir es trotzdem nicht als wahrscheinlich genug sahen und es dadurch vielleicht nicht genug ernst nahmen. Es war als ob sich die Geschichte wiederholte und die Menschen trotzdem nichts daraus gelernt hätten».
Marie war völlig perplex, «das klingt erschreckend real, mich erinnert es an die Klimaerwärmung, als ob wir nicht schon genug Zeichen der Natur erhalten hätten, dass es bald vollends ausarten wird!».
Das könnte es gewesen sein, denkt Rebecca. Die Natur. Bessergesagt, wie wir mit der Natur umgehen. Globalisierung oder? Schon verrückt, man könnte überall hin und dann wird man trotzdem unter Hausarrest gesetzt.
«Wie hat dein Traum eigentlich aufgehört?», frägt Marie.
«Das Komische war, dass es im Traum irgendwann einen Sprung in die Zukunft gab und alles wieder war wie es heute ist. Es hat sich überhaupt nichts geändert und dann bin ich völlig verstört aufgewacht».
Beide denken es, keiner sagt es.
Das wäre ja wieder einmal typisch Mensch. /boy1nabe